Im letzten Artikel ging es darum, mithilfe logischer Überlegungen in das Mysterium des Bewusstseins vorzudringen.
In diesem Artikel möchte ich dir nun zeigen, dass diese Überlegungen nicht nur abstrakte Gedankenspiele sind, sondern durchaus praktische Bedeutung haben können.
Wie du vielleicht bereits weißt, wird die Welt, wie wir sie durch unsere Sinne erleben, in der indischen Vedanta Philosophie als „Maya“ bzw. „Täuschung“ bezeichnet. Laut Vedanta gibt es das von uns wahrgenommene Universum nämlich nicht wirklich. Vielmehr wird der Realitätsgehalt unserer Welt mit dem Realitätsgehalt eines Traumes oder einer Fata Morgana gleichgesetzt.
Dies ist für unser Alltagdenken jedoch schwer zu akzeptieren, da uns die Ereignisse des Lebens vollständig in ihren Bann schlagen und uns auch völlig real erscheinen. Außerdem sind die Gegenstände und Objekte unserer Welt für alle gleichermaßen sichtbar und mit technischen Instrumenten messbar.
Wenn wir statt unseres Alltags jedoch das Phänomen des Träumens einmal genauer unter die Lupe nehmen, offenbaren sich uns erstaunliche Ähnlichkeiten, obwohl uns allen klar ist, dass unsere Träume nur Phantasien unseres Bewusstseins sind.
Denn auch die Objekte und Ereignisse eines Traumes erscheinen uns völlig real und substanziell, solange wir in diesem Traum gefangen sind.
Stell dir einmal vor, du gehst abends zu Bett, schläfst ein und beginnst irgendwann zu träumen. Und im Traum wanderst du mit einem Freund durch eine schöne Gebirgslandschaft.
Dann siehst du sowohl deinen Freund als auch die Berge um dich herum als Objekte deiner Wahrnehmung, die genau wie im Wachzustand äußerst real wirken und für alle im Traum anwesenden Personen sichtbar und greifbar sind. So weißt du im Traum vielleicht sogar, wie die einzelnen Berge heißen und wie hoch sie sind. Und der Höhenmesser an deinem Handgelenk zeigt dir genau an, in welcher Höhe du gerade unterwegs bist.
Aus dem Wachzustand heraus betrachtet, existieren dein Traum-Ich, dein Traum-Freund, die Traum-Berge und dein Traum-Höhenmesser aber in Wirklichkeit gar nicht. Sie sind nur Phantasien deines Bewusstseins. Dein Bewusstsein hat sich im Traum also in eine vollständige Welt mit dir als Subjekt und vielen wahrnehmbaren Objekten und Ereignissen aufgeteilt.
Interessant ist dabei auch die Frage, wie du im Traum überhaupt Objekte wahrnehmen kannst. Schließlich hat man uns doch in der Schule gelehrt, dass wir unsere Umwelt nur deshalb sehen können, weil Licht auf unsere Retina fällt und von dort zum Sehnerv geleitet wird. Dann werden die Lichtimpulse in Nervenimpulse umgewandelt und weiter ins Gehirn geleitet, wo sie analysiert werden und wir schließlich erkennen, was sich vor uns befindet.
Während du im Bett liegst und träumst, sind deine realen Augen aber geschlossen, so dass keinerlei Licht in deine Augen leuchtet, das deine Träume erhellen könnte. Die einzig mögliche Quelle des Lichts ist in deinem Traum somit das „Licht des Bewusstseins“, das dir als Mittel der Wahrnehmung und Erkenntnis dient.
Ist das nicht unglaublich?! Und dabei erleben wir dieses Wunder praktisch jede Nacht.
Nun kann in einem Traum natürlich auch allerhand passieren. Du kannst im Lotto gewinnen, du kannst von einem Hund gebissen werden, du kannst Kinder bekommen und du kannst im Traum sogar sterben. All diese Ereignisse können dich tief in ihren Bann schlagen und dir völlig real erscheinen. Über deinen Lottogewinn bist du vielleicht vor Freude völlig aus dem Häuschen. Nach dem Biss des Hundes hast du im Traum dagegen möglicherweise eine große Narbe und leidest unter deiner körperlichen Entstellung. All dies ist im Traum möglich.
Wenn du erwachst, wirst du jedoch erkennen, dass sowohl deine Freude über den Lottogewinn als auch das Leid, das du wegen deiner Bissnarben ertragen musstest, völlig substanzlos waren. Sie waren nur Reaktionen auf eine Illusion. Auf etwas, das nie wirklich geschehen ist.
Und ähnlich soll es sich laut Vedanta auch mit unserer Alltagsrealität verhalten. Für alle, die wir in diesem kollektiven „Traum“ gefangen sind, ist er völlig real. Aus einer höheren Perspektive jenseits der Dualität ist diese Realität jedoch nur eine Illusion.
Dies wurde über die Jahrhunderte hinweg auch von zahllosen Mystikern bestätigt und seit etwa 100 Jahren auch von den großen Denkern der modernen Physik. So etwa von dem berühmten Nobelpreisträger für Physik Erwin Schrödinger, der sagte:
„Die wahrgenommene Vielheit ist nur Schein. Sie besteht in Wirklichkeit gar nicht.“
Und an anderer Stelle:
„Bewusstsein gibt es seiner Natur nach nur in der Einzahl. Ich möchte sagen: die Gesamtzahl aller »Bewusstheiten« ist immer bloß »eins«.“
Wenn die von uns wahrgenommene Vielheit aber nur Schein ist und es in Wirklichkeit nur ein einziges Bewusstsein gibt, dass diese Scheinwelt erzeugt, dann nützt uns die Kenntnis dieser höheren Wahrheit nur dann etwas, wenn wir diese Wahrheit auch als solche anerkennen und verinnerlichen.
Wenn wir alles Geschehen um uns herum als Illusion ansehen, werden wir uns nämlich weit weniger über ärgerliche Sachverhalte empören und aufregen. Wir werden Ärgernisse weniger wichtig und ernst nehmen und uns weniger über alles Mögliche ereifern. Wir werden erkennen, dass es sinnlos ist, den Objekten der Welt zu viel Bedeutung zu geben und wir werden damit aufhören, von ihnen zu erwarten, dass sie uns wirklich glücklich machen und erfüllen können. Denn wie könnte unser Hunger durch das, was uns ein Traum oder eine Fata Morgana zeigen, wirklich jemals gestillt werden?
Wir müssten anerkennen, dass alle Wesen, denen wir in unserem kollektiven Traum begegnen, auf einer höheren Ebene untrennbar mit uns verbunden sind. Ja, dass sie und wir nur die subjektive und objektive Seite des einen Bewusstseins darstellen. Daraus ergibt sich wiederum, dass wir sie mit dem gleichen Respekt und der gleichen Wertschätzung behandeln würden, wie unser Traum-Selbst.
Um den kollektiven Traum bestmöglich zu genießen, wäre es uns trotz des illusionären Charakters unserer Welt völlig klar, dass es sich lohnt, gemäß der Spielregeln zu leben, die in ihr gelten. Denn wenn wir diese einhalten, wird unser Leben weitgehend harmonisch verlaufen. Wenn wir sie dagegen verletzen, werden wir in in unserem Traumleben leiden.
So könnten wir uns entspannter zurücklehnen und wieder damit beginnen, zu staunen und die Schönheiten und Wunder der Natur und des Lebens wahrzunehmen.
Um in den Genuss dieser Wirkungen zu kommen, müssen wir uns jedoch immer wieder mit den grundsätzlichen Fragen des Lebens beschäftigen, wie denen nach der Natur des Bewusstseins, dem Wesen der Welt, dem Unterschied zwischen Traum und Wachzustand, oder Fragen wie „wer bin ich?“, „wer sind die anderen?“, „was ist das Leben?“ etc.
Hierfür ist es jedoch nötig und unvermeidlich, sich mit klassischen Formen der Kontemplation und Meditation zu beschäftigen.
Glücklicherweise ist es durch die Anwendung der Prinzipien des gnostischen Intensivprozesses von Zivorad Slavinski inzwischen deutlich schneller möglich, zu tiefen Einsichten auf die verschiedensten Fragestellungen zu gelangen als früher und an deren Ende sogar zu erkennen, dass sich alle Fragen und Antworten in Non-Dualität auflösen.
Außerdem können wir uns mit Bewusstseinstechniken wie PEAT, Aspectics oder den verschiedenen Polaritäten-Integrations-Methoden Klarheit darüber verschaffen, wie sich der Unterschied zwischen dem „Traum-Ego-Ich“ und dem höheren „Gewahrseins-ICH“ anfühlt, so dass wir letzteres in unseren Meditationen und im Alltag leichter finden können.