Die Hawkins Skala von 101 bis 199: Verlangen, Wut, Stolz

Level 125 – Verlangen, Begehren, Wollen

Genau wie die Angst gehört das Verlangen zu unseren stärksten Antriebsquellen. Allerdings stehen uns auf der Stufe des Verlangens mehr Energie und Freiheitsgrade zur Verfügung als auf den darunter liegenden Ebenen.

Im Gegensatz zur „Entscheidung für bevorzugte Objekte oder Ziele“, die sich auf einem weit höheren Level auf der Hawkins Skala befindet, ist das Verlangen als negative Emotion zu bewerten, da es von unterschwelligen oder offenkundigen Gefühlen des Mangels und der Bedürftigkeit begleitet wird. Das Verlangen besitzt eine zwingende Qualität, die uns in ständige innere Unruhe und Getriebenheit versetzt. Im Zustand des Begehrens fehlt uns etwas zum Glück und wir erleiden die Qualen von noch unerfüllter Sehnsucht. Diese kann zwar lustvoll sein, wenn wir zuversichtlich sind, das Objekt unserer Begierde auch erlangen zu können. Andernfalls haben wir ständig die Sorge, nicht zu bekommen was wir wollen und sollten wir damit dann tatsächlich scheitern, drohen uns zu allem Überfluss auch noch Trauer oder Wut.

Begehren bedeutet somit automatisch unglücklich zu sein bzw. „etwas zu brauchen, um (wieder) glücklich sein zu können“, was auf die Gefahr der Abhängigkeit hindeutet, die dem Level 125 entspricht. In ungesunder Form ist diese Stufe nämlich die Welt des „Ich will…“ und somit die des Konsums, der Ersatzbefriedigungen und der Süchte. Aus diesem Grund benannte schon der historische Buddha das Begehren als eine der Hauptursachen für alles menschliche Leiden.

Während der Sinn des Begehrens in der Befriedigung unserer Bedürfnisse liegt, ist es für jene fatal, die auf der Stufe des Verlangens feststecken. Sie leiden unter einem ständigen Gefühl der inneren Leere und des Mangels, das durch nichts auf der Welt dauerhaft gefüllt werden kann. Das Begehren und Haben Wollen dient ihnen dann als Ablenkung von ihrer inneren Realität und somit als Selbstzweck. Denn selbst wenn sie auf dieser Stufe bekommen was sie wollen, können sie es nur kurz genießen, da sie ihre innere Leere damit nicht dauerhaft loswerden.

So findet sich auf Level 125 die ständige Suche nach Reizen und Stimulationen von außen, womit der Schritt zur Sucht schon halb gegangen ist. Die krankhaften Auswüchse des Begehrens sind dementsprechend Rastlosigkeit, Gier, Besessenheit, Zwänge und Süchte. Und wer gierig, süchtig oder besessen ist, handelt ichbezogen, rücksichtslos und irrational, was zu vielen Problemen und viel Leid auf dieser Welt führt.

Menschen auf Level 125 müssen lernen, etwas zu mögen, ohne es gleich zu begehren. Sie sollten konstruktive Ziele für sich finden, die Frage für sich beantworten, wofür es sich zu leben lohnt, sowie die Ursache für die innere Leere in ihrer Seele aufspüren und heilen. Fähigkeiten, die sie üben sollten, sind Mäßigung, Selbstkontrolle, Disziplin, Frustrationstoleranz, Belohnungsaufschub und Geben.

 

Level 150 – Wut, Aggression, Zorn, Ärger

Auf der energetisch nächsthöheren Stufe findet sich die Wut, die sehr häufig eine Folge von Frustrationen im Zusammenhang mit der Befriedigung unserer Wünsche ist. Wenn wir etwas wollen und eine andere Person schnappt es uns vor der Nase weg oder wagt es gar nur, unseren Bewegungsfluss in Richtung unseres Ziels zu stören, werden wir höchstwahrscheinlich mit Wut reagieren.

Im gesunden Fall dient die Wut dabei der Verteidigung unserer Interessen, der Abgrenzung und der Eroberung von Zielen. Hierfür mobilisiert sie in uns ungeahnte Energien und verschwindet, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat.

In Menschen, die auf diesem Level der Hawkins Skala feststecken, brodelt die Wut jedoch mehr oder weniger permanent und es reicht ihnen ein geringfügiger Anlass, um unfreundliches, aggressives und übergriffiges Verhalten zu rechtfertigen. Sie sind leicht kränk- und reizbar, wollen andere dominieren oder unterdrücken, benutzen Drohungen von Strafe und Gewalt. Viele von ihnen sind zudem nachtragend bis rachsüchtig.

Die Verantwortung für die eigenen Wutausbrüche wird dabei in der Regel bei den anderen gesucht. Die Logik ist dabei simpel. „Wenn alles so läuft wie ich es will, dann gibt es auch keinen Grund zum Ärger. Wer in meine Vorstellungen dazwischenfunkt, provoziert mich damit mutwillig und ist somit selbst schuld, wenn ich laut werde.“  Chronisch wütende Menschen können somit nicht akzeptieren, dass andere Menschen andere Sichtweisen und Realitäten haben. Sie betrachten das, was nicht ihr Ego befriedigt, als Feind. Dabei gehen sie automatisch davon aus, dass ihre Sichtweise die richtige ist. Ihre Grundhaltung lautet „Ich bin ok, du bist nicht ok.“

In Wirklichkeit dient chronische Wut jedoch der Abwehr von Gefühlen, die sich auf niedrigeren Stufen der Hawkins Skala befinden. Schließlich fühlt es sich besser an wütend zu sein, als depressiv, ängstlich, traurig, schwach, hilflos oder bedürftig.

Chronische Wut hat viele Ausdrucksformen, wie etwa körperliche Gewalt, Zerstörungswut, emotionale und verbale Gewalt, Rücksichtslosigkeit, chronische Feindseligkeit, oppositionelles Trotzverhalten, Übergriffigkeit, die Entwertung anderer, ständiges Dagegen-Sein und stetige Unzufriedenheit mit der Realität.

Einige wirksame Gegengifte gegen chronische Wut sind Akzeptanz, Loslassen, Vergebung sowie die Berücksichtigung anderer Sichtweisen. Wut lässt sich sehr gut mithilfe von PEAT und anderen Psychointegrationsmethoden auflösen.

 

Level 175 – Stolz

Auf dem Weg nach oben ist Stolz ist die letzte negative Emotion in der Hawkins Skala. Unter normalen Umständen ist das Gefühl des Stolzes eine angemessene Reaktion auf die Errungenschaft von Leistungen und Erfolgen. Es dient deren Würdigung und geht mit der Ausschüttung von Glückshormonen einher.

Wenn jemand jedoch auf der Stufe des Stolzes feststeckt, äußerst sich dies in einem Habitus der Arroganz, der Überheblichkeit und des Hochmuts, der auf andere meist abstoßend wirkt. Menschen, die krankhaft stolz sind, haben das Gefühl, intelligenter, wichtiger oder besser zu sein als ihre Mitmenschen. Sie fühlen sich diesen überlegen und blicken auf sie herab.

Durch den Fokus auf der Unterschiedlichkeit, Andersartigkeit und Einzigartigkeit ihrer Person gegenüber anderen erzeugen sie eine Kluft zwischen sich und diesen, was zu allerlei sozialen Problemen führen kann.

Abgesehen davon hat Arroganz, ähnlich wie Wut, häufig die Aufgabe, unangenehme Gefühle abzuwehren, die das eigene Selbstbild bedrohen würden. Im Fall der der Überheblichkeit sind dies z.B. Gefühle des Versagens, der Hilflosigkeit, der Schwäche, der Unterlegenheit oder Minderwertigkeit, die der arrogante Mensch fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.

Die „Heilung“ des Stolzes geschieht durch dessen Transformation zu Dankbarkeit und Demut. Wer seine Erfolge und Leistungen würdigt, indem er Freude und Dankbarkeit darüber empfindet, braucht keine Gefühle der Schwäche abzuwehren. Er erzeugt keine Kluft zu seinen Mitmenschen und steigt auf der Hawkins Skala nach oben.

 

 

Insgesamt betrachtet, beinhalten die Level 1-199 der Hawkins Skala alle Emotionen, Bewusstseinszustände und Umstände, die wir als leidvoll erleben und die wir gerne loswerden würden. Sie sind durch ein grundsätzliches Gefühl des Mangels gekennzeichnet, das die meisten durch Konsum zu kompensieren versuchen. Da sich laut David Hawkins derzeit ca. 75% der Weltbevölkerung auf einem Level unterhalb von 200 befinden, ist es somit nicht weiter verwunderlich, dass es so viel Leid auf dieser Welt gibt und Konsum die am weitesten verbreitete Religion auf diesem Planeten ist.

Menschen auf diesen Bewusstseinsstufen fühlen sich tendenziös als Opfer der Umstände, leiden unter allerlei seelischen Nöten und haben nur wenig Kontrolle über ihre Gedanken und Emotionen. Sie neigen dazu, sich selbst und anderen etwas vorzumachen und sind nur selten wirklich glücklich.

Je niedriger die Stufe, desto weniger Handlungsfreiraum und Lebensfreude steht ihnen dabei zur Verfügung.

Wie im vorigen blog Beitrag beschrieben, beinhalten die Bereiche 1-50 einen so starken Sog in Richtung Selbst- und Fremdzerstörung, dass Menschen, die sich chronisch auf diesen Ebenen befinden, für klassische Psychotherapie und die Methoden der energetischen Psychologie weitgehend ungeeignet sind.

Alle darüber liegenden Level können dagegen sehr wohl von Psychotherapie und den in diesem blog erwähnten Methoden profitieren.